Proteste in Belarus: Wladimir Putin sichert Belarus Unterstützung zu

Russland verspricht Hilfe für den “Ernstfall”. In Minsk demonstrieren Staatsbedienstete für Präsident Lukaschenko – die Proteste gegen ihn sind jedoch weitaus größer.

16. August 2020
Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, AFP, Reuters

Der russische Präsident Wladimir Putin © Aleksey Nikolskyi/​Kremlin/​Reuters

Russland hat dem Nachbarland Belarus wegen der Proteste gegen den dortigen Machthaber Alexander Lukaschenko Beistand für den “Ernstfall” zugesichert. Das teilte die russische Regierung nach einem Telefonat von Präsident Wladimir Putin und Lukaschenko mit. Beide haben demnach schon am Samstag miteinander gesprochen. Russland habe seine Bereitschaft bekräftigt, “die erforderliche Hilfe bei der Lösung auftretender Probleme zu leisten”, heißt es in der Mitteilung unter Verweis auf ein bestehendes militärisches Abkommen.

Auf Belarus werde Druck von außen ausgeübt, hieß es weiter. Woher dieser kommen soll, ließ man offen. Lukaschenko selbst warf der Nato einen Truppenaufmarsch an seiner Westgrenze vor. Panzer und Flugzeuge stünden nur 15 Minuten von der Grenze entfernt, sagte er vor Tausenden seiner Anhänger in Minsk. Die Nato dementierte die Behauptung: “Es gibt keine Nato-Ansammlung in der Region”, sagte eine Sprecherin. Bereits zuvor hatte Lukaschenko Militärübungen des Bündnisses in Polen und Litauen kritisiert. “Ich habe euch nicht hierher gerufen, damit ihr mich verteidigt”, sagte Lukaschenko in seiner Rede. “Sondern damit ihr euer Land, eure Unabhängigkeit, Schwestern, Frauen und Kinder verteidigt.”  

Die Pro-Lukaschenko-Kundgebung war vom Staatsapparat organisiert worden. Etwa 3.000 Anhängerinnen und Anhänger Lukaschenkos seien gekommen, twitterte Alice Bota, Korrespondentin der ZEIT in Moskau. Medien hatten zuvor berichtet, dass aus vielen Teilen des Landes Staatsbedienstete gedrängt würden, dafür in die Hauptstadt zu kommen.

“Marsch der Freiheit”

Seit der Präsidentenwahl gibt es landesweit Proteste empörter Bürger, die nicht an einen Wahlsieg Lukaschenkos glauben. Er hatte sich mit gut 80 Prozent der Stimmen zum Sieger erklären lassen. Seine Gegner, die im ganzen Land demonstrieren, fragen seit Tagen, wo diese 80 Prozent seien und warum niemand für Lukaschenko auf die Straße gehe. Die Kundgebung am Sonntag sollte die Unterstützung für den Machthaber bezeugen.   

Zur Kundgebung der Opposition in Minsk kamen ebenfalls am Sonntag Zehntausende. Das meldete die Nachrichtenagentur AFP. Bei ihrem “Marsch der Freiheit” riefen die Demonstranten Lukaschenko erneut zum Rücktritt auf. Auch in anderen Städten des Landes versammelten sich zahlreiche Menschen zum Protest gegen die Regierung.

Der 65-Jährige hatte gesagt, die Demonstranten würden vom Ausland manipuliert und bezahlt und bezeichnete sie als Menschen mit krimineller Vergangenheit und Arbeitslose. Danach traten Arbeitskollektive in vielen Staatsbetrieben in den Streik. Auch Journalisten beim Staatsfernsehen drohten mit Arbeitsniederlegung. Bislang wurden bei den Protesten mehr als 7.000 Menschen festgenommen. Es gibt Berichte von Folter.

Lukaschenko will keine ausländische Vermittlung

Bereits am Samstagabend hatte Lukaschenko die Verlegung von Fallschirmjägern nach Grodno im Westen des Landes angeordnet. In der Region sei die Lage gespannt, sagte er bei einer vom Staatsfernsehen übertragenen Sitzung des Generalstabs. Er wies das Verteidigungs- und das Innenministerium sowie den Geheimdienst KGB an, keine “ungesetzlichen Aktionen” im Land zuzulassen. Derzeit planen Demonstranten eine Menschenkette von Litauen durch Belarus in die Ukraine. Diese Solidaritätsaktion für die Proteste müsse verhindert werden.

Lukaschenko wandte sich auch gegen ausländische Vermittlungsangebote: “Wir sind ein normales Land, das sich auf eine Verfassung stützt. Wir brauchen keine ausländische Regierung, nicht irgendeine Art von Vermittler.” Dabei schien er sich auf Vermittlungsofferten der Regierungen von Polen, Litauen, Lettland und Estland zu beziehen. 

Die belarussische Oppositionelle Maria Kolesnikowa hat unterdessen gesagt, dass sie eine russische Militärintervention zur Unterstützung Lukaschenkos für unwahrscheinlich hält. “Ich glaube nicht, dass Putin eingreift, es wäre auch ein dummer Schritt”, sagte sie der Bild am Sonntag. “Die Unterstützung in Belarus ist groß, wir wollen in einem freien und europäischen Land leben.” EU-Sanktionen gegen die Verantwortlichen für die Misshandlung von Demonstranten lehnt sie ab. Die Betreffenden müssten “nach belarussischem Recht” bestraft werden, sagte Kolesnikowa.

Die EU hatte am Freitag wegen der Polizeigewalt in Belarus neue Sanktionen gegen Unterstützer Lukaschenkos auf den Weg gebracht. Es soll auch Strafmaßnahmen gegen Personen geben, die für eine Fälschung der Präsidentenwahl verantwortlich gemacht werden. Ein EU-Diplomat hatte gesagt, die EU müsse Druck auf Lukaschenko ausüben, ohne ihn weiter in die Arme Russlands zu treiben.


974 Kommentare

The Jabberwocky
16. August 2020 um 10:30 Uhr

Die Formulierung zur russischen Unterstützung beinhaltete den kleinen, aber wichtigen Einschub „gegen Angriffe aus dem Ausland“.⭐️ 9387 Antworten

Gelöschter Nutzer 11101
16. August 2020 um 10:30 Uhr

Die englischsprachige Presse gibt an, dass russische Militärhilfe bei externer militärischer Gefahr zugesprochen wurde. Das fehlt hier im Artikel oder die Briten müssen nachbessern:
„Belarusian President Alexander Lukashenko says that Russia has agreed to offer security assistance in the case of external military threats.“
Belarus: Vladimir Putin ‘pledges support’ for President Lukashenko https://www.bbc.co.uk/news/w…⭐️ 6972 Antworten

et iustus
16. August 2020 um 10:35 Uhr

Wie gestern schon gesagt:
Ein russisches Eingreifen hätte aus seiner Sicht multifunktionale positive Aspekte.
-Er bliebe an der Macht, wenn auch als Vasall Moskaus,
-Russland hätte endlich eine Flanke zum Angriff auf die Ukraine und das Baltikum,
-Trumps Wahl wäre gerettet, er wäre der starke Retter Polens, ( Pompeo zufällig gestern in Warschau)

Wenn alte Männer in alten Strukturen alten Kriegen wieder Leben einhauchen.
⭐️ 1341 Antworten

Komplementäres Denken
16. August 2020 um 10:31 Uhr

++ Ein EU-Diplomat hatte gesagt, die EU müsse Druck auf Lukaschenko ausüben, ohne ihn weiter in die Arme Russlands zu treiben. ++
Der Gute hat offenbar leicht reden. Wie soll das gehen?
Vorschläge hat er keine?
⭐️ 2716 Antworten

Dunciad
16. August 2020 um 20:49 Uhr

Man macht wohl nicht die gleichen Fehler wie die Ukraine und isoliert die westlichen Demonstranten aus anderen Ländern bzw. auch bezahlte Profis. Die kennen halt das Vorgehen des Westens(USA) in der Ukraine sehr gut und haben daraus gelernt. Russland hat sicher kein Interesse an ein zweites Ukraine vor seinen Grenzen und auch die Bürger Weissrusslands wollen kein Chaos im eigenen Land, das nur dem Westen nützt.
Das jetzige Schachspiel des Westens ist ziemlich leicht zu durchschauen.
⭐️ 1127 Antworten

Onkel Wania
16. August 2020 um 10:47 Uhr

Egal, wie man zu Osteuropa steht, 26 Jahre Amtszeit scheinen mir definitiv zu lang. Selbst 16 Jahre sind es.
Wenn Putin klug ist und das ist er, dann stützt er Lukashenko und legt ihm einen geordneten Rückzug im nächsten Jahr nahe unter der Maßgabe, einen geeigneten russlandfreundlichen Nachfolger aufzubauen.
⭐️ 1721 Antworten

Sveti Yeti
16. August 2020 um 16:36 Uhr

Man, man, wenn ich diese absolut mit Vorurteilen, zum Teil auch hasserfüllten Kommentare gegenüber Russland hier lese, wird mir auch ganz anders. Zumal diese jeder Grundlage entbehren.

Egal ob ZON, WELT, FAZ, BILD, alle schreiben, dass Russland sich raushalten wird, die Opposition sagt, dass Russland sich raushalten wird, Russland selbst gibt zu verstehen, dass es sich aus raus hält, so lange Weißrussland nicht militärisch angegriffen wird und trotzdem spuckt hier jeder zweite Kommentar seinen Hass auf Basis von Halbwahrheiten und Verdrehungen aus. Naja.
⭐️ 2113 Antworten

Gelöschter Nutzer 157200
16. August 2020 um 20:07 Uhr

Putin ist überall dort sofort zur Stelle, wo es darum geht Menschen zu unterdrücken und auszubeuten, überall dort wo ein totalitäres System am Leben erhalten werden soll, koste es was es wolle, Menschenleben spielen dabei keine Rolle.

Einer der übelsten Politiker der Gegenwart. Shame on you Putin!
⭐️ 1320 Antworten

usw.